Strebi-Preise an der HSLU-M vergeben

An der diesjährigen Diplomfeier der Hochschule Luzern – Musik sind insgesamt 165 Bachelor und Master diplomiert worden. 17 Personen schlossen ihre Weiterbildung ab. Nadia Zobrist aus Oberdiessbach und Samuel Cueni aus Brislach sind als Bachelor-Absolvierende mit dem Strebi-Gedenkpreis ausgezeichnet worden.

Nadia Zobrist und Samuel Cueni (Foto: Ingo Höhn)

Im Studium Bachelor of Arts in Music erhielten 56 Absolventinnen und Absolventen ihre Diplome, 40 davon im Profil Klassik, 16 im Profil Jazz. Im Master of Arts in Music wurden insgesamt 57 Diplome vergeben, die meisten davon im Profil Performance Klassik (24).

Im Master of Arts in Musikpädagogik haben 43 Absolventinnen und Absolventen ihre berufliche Qualifikation für das Unterrichten an Musikschulen oder Maturitätsschulen erworben, auch hier gab es die meisten Diplome im Profil Klassik (31). Weiter schlossen 17 Berufspersonen ihre Weiterbildung mit einem Diploma of Advanced Studies (DAS) oder einem Certificate of Advanced Studies (CAS) ab. Die mit je 2000 Franken dotierten Preise der Strebi Stiftung für besonders herausragende Bachelor-Absolventinnen gingen an Nadia Zobrist und Samuel Cueni.

Die Saxofonistin Nadia Zobrist (Profil Jazz) gestaltete laut der Medienmitteilung «mit grosser improvisatorischer Kraft und differenzierter Klangarbeit den im Lift gespielten Carte-Blanche-Teil der Prüfung». Ein weiterer musikalischer Höhepunkt war die freie Improvisation mit Pianist Christoph Baumann. Samuel Cueni (Profil Klassik) sei «eindeutig ein Künstler, der nicht sich selbst, sondern die Musik in den Vordergrund» stelle.

Geheimnis Chorsingen

Am Sonntag, 13. Oktober 2019 11 Uhr, präsentiert der Konzertchor Luzern eine Aufführung mit drei Werken von Ludwig van Beethoven: Coriolan-Ouvertüre, Messe in C-Dur und Chorfantasie. Ein Jahr lang haben die Sängerinnen und Sänger dafür geprobt. Was treibt sie an, was erleben sie dabei?

Der Konzertchor Luzern im Oktober 2018 im KKL. Foto: Patrick Hürlimann,Foto: zVg,Foto: zVg,Foto: zVg,Foto: zVg,SMPV

Je zwei Sängerinnen und Sänger des Konzertchors Luzern erzählen, was ihnen das Chorsingen bedeutet.

Singen macht mich glücklich

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Isa Glanzmann, Kindergärtnerin

Eigentlich singe ich sehr oft: Daheim, im Wald, im Kindergarten. Es war immer mein Traum, in einem klassischen Chor zu singen. Seit drei Jahren singe ich nun im Konzertchor Luzern und habe den Eindruck, dass meine Stimme klarer und reiner geworden ist. Das hat mit den vielen Proben und der sehr guten Chorleitung zu tun. Ich übe auch viel zuhause, denn es ist mir wichtig, dass die wunderbaren Werke, die wir singen dürfen, bei unserem Auftritt im KKL wirklich gelingen.

Singen macht mich total glücklich, die Proben sind für mich immer zu kurz. Ich geniesse die Gemeinschaft im Chor und schätze den Kontakt zwischen den Generationen. Hier finden viele fröhliche, wohlwollende Menschen zusammen. Das empfinde ich als sehr bereichernd!

Das grosse Highlight des Chorjahres ist für mich die erste Probe zusammen mit dem professionellen Orchester, den Solistinnen und Solisten. Sternstunden – mitten in der Musik zu sei und einzutauchen. Wenn die ersten Akkorde anklingen, dann fliessen immer wieder die Tränen, weil es mich so sehr beglückt.
 

Es gibt wunderbare Momente

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Robert Humbel, Chemielehrer

Gestartet hat meine Chorkarriere im Kantichor, später habe ich im Akademischen Chor der ETH und der Universität Zürich gesungen. In Luzern bin ich beim Konzertchor Luzern gelandet, weil ich mich in diesem grossen Chor schon ab der ersten Probe wohlfühlte. Beim Singen vergesse ich meine Alltagsprobleme. Ich erlebe mich als kreativen Teil eines grossen Ganzen. Jedes Chormitglied muss auf sich, die Umgebung und den Dirigenten achten, und erst zusammen entsteht etwas Neues. Dabei erfahre ich wunderbare Momente.

Über die Jahre hinweg hat sich meine Stimme verbessert und mein musikalisches Verständnis vertieft. Wichtig sind mir auch die sozialen Kontakte im Chor. Ich habe ein Grüppchen gefunden, das nach den Proben noch zusammensitzt. Da bin ich gut aufgehoben.

Einmal im Jahr geben wir ein grosses Konzert im KKL. Es ist immer ein Erlebnis, in diesem Saal aufzutreten. Da wir ein Jahr lang intensiv geprobt haben, bin ich kaum nervös. Meine Familie hört im Publikum mit. Der Anlass ist einfach wunderbar.
 

Manchmal erlebe ich Wow-Gefühle!

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Simona Brauchli, Sozialpädagogin

Ich singe schon seit der 2. Primarklasse. Singen hat mir auf der Stelle gefallen. Nach einem langen Unterbruch habe ich einen neuen Chor gesucht. Da sagte ich mir: Warum nimmst du nicht denjenigen der Mutter. So finden wir eine wundervolle Gelegenheit, gemeinsam etwas zu erleben.

Ich singe gerne Klassik. Ich habe diese Stücke schon im Kinderchor geliebt. Oft frage ich mich, wie es nur möglich war, dass sich jemand solche grossartige Werke ausdenken kann. In einem grossen Chor mitzumachen, geniesse ich sehr. Wenn wir ein Werk mit der Zeit besser singen, und die Töne sitzen und sich aneinander reiben, dann spüre ich manchmal ein Kribbeln im Bauch. Es ist ein wunderbares Gefühl. Ich bin so gerne ein Teil dieses grossen Ganzen.

Der eigentliche Höhepunkt für mich ist, wenn in der Woche vor dem grossen Auftritt das Orchester hinzukommt. Auf einen Schlag macht alles einen Sinn. Dann erlebe ich ein richtiges Wow-Gefühl. Einfach grossartig! Beim Auftritt im KKL bin ich nervös, nicht wegen des Singens, sondern weil ich die Blumen überbringe. Ansonsten finde ich es toll, dass ein tolles Projekt zum Abschluss kommt und freue mich auf das neue Werk.
 

Singen, der ideale Ausgleich zur Arbeit

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Volker Appel, Ergotherapeut

Eigentlich singe ich schon immer: Früher im Jugendchor, dann im Kirchenchor, im Kammerchor und hier in der Schweiz seit über 25 Jahren im Konzertchor Luzern. Wir üben ein ganzes Jahr an einem Werk. Ich mag es, jedes Jahr wieder ein neues klassisches Werk kennenzulernen. Jeder Komponist ist anders. Es gilt, jeden neu zu verstehen. Bei der Interpretation folge ich dem Dirigenten und lasse mich gerne überraschen.

Der Höhepunkt jedes Jahr ist natürlich der Auftritt im KKL. Ich bin immer wieder nervös – selbst nach dieser langen Zeit im Chor. Ich liebe die Stimmung nach der Aufführung, diese Entspannung und Erleichterung, wenn alles gut gelungen ist. Der Chor gibt alles und ist voll konzentriert – logisch, dass wir am Ende ziemlich erschöpft sind. Es ist ein unglaublich schönes Gefühl, gemeinsam an etwas Grossartigem mitgewirkt zu haben.
 

Der Konzertchor Luzern wird seit Ende 2017 von Philipp Klahm geleitet.
 

Das Konzert 3 mal Beethoven findet statt am Sonntag, 13. Oktober 2019, 11 Uhr, im KKL Luzern.

Solisten

Gudrun Sidonie Otto, Sopran
Diana Haller, Alt
Nino Aurelio Gmünder, Tenor
Robert Koller, Bassbariton

Denis Zhdanov, Klavier

Judith Gamp, Mezzosopran
Saloum Diawara, Bariton

 

 

Fink übernimmt WDR-Rundfunkchor

Nicolas Fink, der künstlerische Leiter des Schweizer Jugendchors, wird mit Beginn der Spielzeit 2020/2021 neuer Chefdirigent des WDR Rundfunkchores. Er folgt dem derzeitigen Chefdirigenten Stefan Parkman nach, der den Chor sechs Jahre lang geleitet hat.

Nicolas Fink. Bild: WDR/Marco Ketzinger

Der Schweizer Dirigent Nicolas Fink, Jahrgang 1978, ist bereits seit 2011 Gastdirigent des WDR Rundfunkchores. Auch mit weiteren ARD Rundfunkchören und dem Choeur de Radio France arbeitet er regelmässg zusammen. Beim Berliner Rundfunkchor war er von 2010 bis 2015 Chorassistent. Ferner ist er Chordirektor beim Schleswig-Holstein Musik Festival.

Zusätzlich wurde für den WDR Rundfunkchor Simon Halsey gewonnen, als Kreativdirektor für Chormusik und aussergewöhnliche Projekte. Diese Position wurde neu geschaffen. Der 1958 in Grossbritannien geborene Chordirigent war von 2001 bis 2015 Chefdirigent des Berliner Rundfunkchores, auf diese Zeit geht die erste enge Zusammenarbeit zwischen Simon Hasley und Nicolas Fink zurück.

Halsey stellt sich bei einem Mitsingkonzert am 12. Dezember dem Publikum vor. Nicolas Fink beginnt seine Konzertsaison mit dem WDR Rundfunkchor im September 2020.

 

308 neue Musikstudierende

Von den 711 Studienanfängerinnen und -anfängern an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) haben sich 308 für einen Bachelor- oder Masterstudiengang im Bereich Musik immatrikuliert.

Unterricht an der ZHdK (Foto: Regula Bearth/ZHdK)

Die 711 Studierenden nehmen ihr Studium an der ZHdK am Montag, 16. September auf. Neben den Musikstudierenden sind dies 110 Eingeschriebene in Design, 91 in Kunst und Medien, 112 in Art Education und Transdisziplinarität sowie 90 in Darstellenden Künsten und Film.

Insgesamt studieren an der Zürcher Hochschule der Künste 2245 Personen. Davon absolvieren 1300 einen der acht Bachelor- und 945 einen der elf Masterstudiengänge. Die Studierendenzahl ist gegenüber den letzten Jahren konstant geblieben. An der ZHdK gilt ein Numerus clausus; Studieninteressierte durchlaufen vorgängig ein strenges Zulassungsverfahren.

Stadt und Kanton Luzern kooperieren

Marcel Schwerzmann, der Kulturdirektor des Kantons, und Luzerns Stadtpräsident Beat Züsli bekräftigen die Zusammenarbeit zur öffentlichen Finanzierung der grossen Kulturbetriebe von überregionaler Bedeutung.

Marcel Schwerzmann und Beat Züsli (Foto: Franca Pedrazzetti/Stadt Luzern).

Gleichzeitig haben Stadt und Kanton im Rahmen des Zweckverbands die Verantwortung sowie Finanzierung der anstehenden kulturellen Investitionsvorhaben geregelt. Auch künftig sollen die Investitionsbeiträge an Institutionen fallweise ausgehandelt werden. Konkret bedeutet dies für die anstehenden grossen Kulturvorhaben beim Theater und beim Verkehrshaus, dass die Stadt die Federführung beim Luzerner Theater übernimmt und der Kanton beim Verkehrshaus.

So wird der Kanton rund 25 Millionen Franken in das Investitionsvorhaben Verkehrshaus investieren, die Stadt ihrerseits einen noch nicht bezifferten, hohen zweistelligen Millionenbetrag für das Luzerner Theater aufwenden. Die Neuordnung der Betriebsbeiträge führt insgesamt zu einer finanziellen Belastung von rund 50 Prozent für die Stadt und rund 50 Prozent für den Kanton. Die Einführung des neuen Kostenteilers erfolgt in drei Etappen ab 2023.

200 Jahre Clara Schumann

Zu Ehren von Clara Schumann gibt es einige Anlässe – am Beethovenfest Bonn wird beispielsweise eine von Bettina Skrzypczak komponierte Hommage an die Pianistin und Komponistin erstmals zu hören sein.

Clara Wieck, 1840, Zeichnung von Johann Heinrich Schramm (1810-1865). Bild: WikimediaCommons

Das Beethovenfest schreibt dazu: «Am 13. September, dem 200. Geburtstag von Clara Schumann, wird beim Beethovenfest Bonn das Orchesterstück Mouvement fantastique von Bettina Skrzypczak uraufgeführt. Es entstand im Auftrag des Beethovenfests und wird gespielt von der Robert-Schumann-Philharmonie Chemnitz unter der Leitung von Gerrit Prießnitz. (…) In ihrer Hommage an Clara Schumann verzichtet Bettina Skrzypczak auf motivische Anspielungen oder Stilzitate. Vielmehr nähert sie sich Claras poetischer Welt, die auch Roberts Welt war, mit ihren eigenen kompositorischen Mitteln auf vorsichtige Weise an. Was sie fasziniert, sind die geheimnisvollen Chiffren und die nur im Medium des Klangs wahrnehmbaren Signale und Reaktionen, in denen sich die Wesensverwandtschaft zwischen Clara und Robert Schumann artikulierte. Eine besondere Rolle spielt im neuen Werk das Klavier, das die beiden als Medium ihrer Botschaften nutzten. Es wird aber nicht konzertant eingesetzt, sondern ist ein Teil des Orchesters.»

Offener Brief der Schweizer Musikschaffenden

Heute kommt die Urheberrechts-Revision im Schweizer Parlament in die Differenzbereinigung. Sehr zum Unmut der Musikszene Schweiz ist dort neu eine Gesetzesänderung vorgesehen, die Schweizer Urheber gegenüber ausländischen schlechter stellen würde.

Foto: Jonas Zürcher / Unsplash (s. unten)

Ein Antrag aus der Rechtskommission des Nationalrats (RK-N) wolle, schreiben die Musikschaffenden, in Hotels, Ferienwohnungen, Spitälern und Gefängnissen die Urheberrechtsvergütungen für das TV- und Radioangebot streichen. Wenn internationales Recht eingehalten wird, müsste für die ausländischen Beträge weiterhin bezahlt werden, nur Schweizer Produktionen wären schlechter gestellt.

Die Vergütung koste Hotels pro Zimmer im Monat weniger als einen Franken, schreiben die Schweizer Musikschaffenden in einem offenen Brief ans Parlament. Das sei «ein miserabler Witz und eine Beleidigung für die Musikschaffenden der Schweiz».

Die URG-Revision wurde 2012 angestossen. Die Musikschaffenden haben sich laut ihrer eigenen Einschätzung «mit grossen Zugeständnissen hinter einen Kompromiss für die Revision gestellt», in dem nur noch sehr wenig von ihren ursprünglichen Forderungen enthalten sei. Der Vorstoss der RK-N bringe diesen Kompromiss aus dem Gleichgewicht und wende die Revision gegen sie. Der Ständerat habe das verstanden und die Tourismus-Forderung gestrichen, die RK-N habe sie nun wieder eingefügt.

Titel ging nach Österreich

In Sirnach fand am Wochenende vom 7. und 8. September zum 19. Mal der Ostschweizer Solisten- und Ensemble-Wettbewerb (OSEW) statt. Den begehrten Titel des Solo-Champions am bedeutenden Nachwuchswettbewerb für Bläser und Perkussionisten sicherte sich die Vorarlbergerin Katharina Mätzler.

Katharina Mätzler, die neue «Ostschweizer Solo-Champion». Foto: OSEW

Am Freitagabend erfolgte der Auftakt des OSEW mit der Swiss Students Competition, einem Perkussions-Wettbewerb für Studierende der Schweizer Musikhochschulen. Am Samstag und Sonntag stellten dann die Solisten und Ensembles ihr hohes musikalisches Können unter Beweis.

Schlagwerk in höchster Präzision

Der OSEW Swiss Student Competition für Absolventinnen und Absolventen der Hochschulen fand dieses Jahr zum dritten Mal statt. Das Konzept war in Zusammenarbeit mit den Schweizer Hochschulen überarbeitet worden. Teilnahmeberechtigt sind immatrikulierte Studierende der Schweizer Musikhochschulen bis zum vollendeten 24. Lebensjahr. In der Jury sassen mit Franz Bach, Stuttgart und Roman Brogli, Pugema TI international sehr renommierte Fachpersonen. Der Wettbewerb erfolgte in drei Teilen (1. Runde: Timpani/Mallet; 2. Runde: Set-Up/Bodypercussion/Musiktheater; 3. Runde: Marimbaphon mit drei Finalisten). Cédric Gyger aus Schönenried, Absolvent der Zürcher Hochschule der Künste, setze sich mit den Stücken For Marimba II und Indifférence durch. Er verwies Farida Hamdar aus Rehetobel und Corentin Barro aus Mühleturnen auf die Ehrenplätze.

Über 800 musikalische Talente

Die OSEW-Wettbewerbe gingen im Dreitannensaal und in der Schulanlage Grünau über die Bühne. Höhepunkt war am Sonntagnachmittag das grosse Finale um den Ostschweizer Solo-Champion. In Anbetracht der vielen hervorragenden Darbietungen hatte die international anerkannte Jury eine schwierige Aufgabe zu bewältigen. Im Slow-Melody-, Ensemble- und Solo-Wettbewerb massen sich Kinder und Jugendliche der Jahrgänge 1998 bis 2012. Von der Klarinette über die Trompete und Posaune bis hin zu den verschiedensten Percussions-Instrumenten nahmen rund 800 jugendliche Musikerinnen und Musiker teil.

Erstmals den Titel ins Ausland entführt

Für das grosse Finale vom Sonntagnachmittag hatten sich die fünf Kategoriensieger des Wochenendes qualifiziert. Mit ihrer hervorragenden, virtuosen Darbietung setzte sich Katharina Mätzler (Musikschule Bregenzerwald) auf ihrem Fagott durch. Sie vermochte die Jury am meisten zu überzeugen und entführte den begehrten Titel «Ostschweizer Solo-Champion» erstmals ins Ausland. Sven Dahinden, Snare-Drums von der Musikschule Schüpfheim erreichte mit seiner Darbietung Platz zwei. Linus Tschopp von der Musikgesellschaft Sulgen spielte sich mit dem Euphonium auf den dritten Platz. Er wurde zusätzlich für die Teilnahme am «Prix Musique 2020» nominiert.

20-Jahr-Jubiläum im kommenden Jahr

Nächstes Jahr findet der Wettbewerb vom 4. bis 6. September 2020 bereits zum 20. Mal statt. Der Verein werde sich zum Jubiläum bestimmt etwas Spezielles einfallen lassen, versprach die langjährige OSEW-Geschäftsführerin Verena Fehr und verriet zugleich, dass dann im Jahr 2021 mit dem Finale des «Prix Musique» ein verspätetes Geschenk in Sirnach stattfinden werde.

Als Sieger nach Los Angeles

Der 28-jährige Waadtländer Théo Schmitt ist der beste Nachwuchsdirigent der Schweiz. Er hat den Schweizerischen Dirigentenwettbewerb in Baden dank einer Kombination aus natürlicher Ausstrahlung und perfekter Probenarbeit gewonnen.

Théo Schmitt gewinnt den ersten Preis. Foto: Danielle Liniger

Was ist ein guter Dirigent? Tänzer, Lehrer, Therapeut, Einpeitscher, Rapper oder Diva? Die Droge des gemeinsamen Musizierens mache süchtig, sagten die Organisatoren am Final des 9. Schweizerischen Dirigentenwettbewerbs. Die Chance, in den Flow zu gelangen ist wesentlich grösser, wenn der Dirigent begeistert, charismatisch ist und alle in seine Welt mitnimmt. Diese Talentförderung ist Aufgabe des bewährten Anlasses, der diese Woche in Baden stattgefunden hat.

Alle Entscheidungen der dreiköpfigen Jury fielen einstimmig: Der Sieger des neunten Schweizerischen Dirigentenwettbewerbs (4. bis 9. September 2019) ist Théo Schmitt aus Palézieux. Der 28-jährige Waadtländer überzeugte mit seiner Interpretation des Höchstklasswerks «Praise Jerusalem» von Alfred Reed. Der Aargauer Raphael Honegger belegt den zweiten, der Walliser Laurent Zufferey den dritten Platz.
 

«Ein überzeugender Dirigent»

Die Preise werden nur vergeben, wenn die hohen Anforderungen der Jury (Jan de Haan, Philippe Bach und Carlo Balmelli) erfüllt werden. Das war diesmal der Fall, war doch das Niveau der 23 Teilnehmerinnen und Teilnehmer insgesamt ausserordentlich hoch. Die Jury hat sich für Schmitt entschieden, weil er über die ganze Woche gesehen klar der Beste gewesen sei, wie Jurypräsident Jan de Haan ausführte. Der Waadtländer probe sehr gut und habe die Partitur ausgezeichnet im Kopf. Dabei trete er trotz des Drucks des Wettbewerbs selbstsicher und überzeugend auf. Dank seiner guten Ausstrahlung und dem guten Kontakt zu den Orchestern ist Schmitt laut Jurypräsident Jan de Haan ein überzeugender Sieger.

Sieger Théo Schmitt hatte unmittelbar nach der Rangverkündigung Mühe zu begreifen, was der Sieg für seine Karriere bedeutet. Da er nächste Woche in Los Angeles ein zweijähriges Studium in Filmmusik beginnen wird, sei momentan sowieso viel los. Das habe ihn möglicherweise entlastet und Druck weggenommen. Stattdessen konnte er Proben und Konzerte von Tag zu Tag mehr geniessen. Sorgen gemacht hatte sich der Romand im Vorfeld einzig wegen der Sprachbarriere. Im Endeffekt waren die fehlenden Deutschkenntnisse aber eher ein Vorteil, weil er so auf sehr sympathische Weise auf die Orchester zugehen konnte und sich eher mit den Mitteln eines Dirigenten ausdrückte statt mit vielen Worten.
 

Das «falsche» Werk

Für den Final dann der gleiche Effekt: Schmitt wurde mit Praise Jerusalem genau jenes Stück zugelost, das er keinesfalls haben wollte. Er hat dann zwischen Halbfinal und Final die ganze Nacht durchgearbeitet und war am Morgen schliesslich sehr überzeugt von dieser Komposition. Deshalb sagt Théo Schmitt auch: «Gewinnen ist nicht das Wichtigste am Dirigentenwettbewerb.» Im Vordergrund stehe der Lernprozess für und während des Anlasses – in diesem Sinne freut er sich nun auch auf die bevorstehende Detailkritik der Jury.

Der Dirigentenwettbewerb geniesst in der Blasmusikszene einen ausgezeichneten Ruf. Er ist eine einzigartige Plattform, um sich zu messen, sich einer Jury zu stellen und mit tollen Orchestern zu musizieren. Vormalige Sieger sind heute noch erfolgreiche Dirigenten und geniessen einen ausgezeichneten Ruf. Auch für das Publikum ist diese Art der Nachwuchsförderung höchst interessant. Denn selten kann man so direkt vergleichen, wie sich Dirigenten verhalten, mit welchen Gesten und Blicken sie das Orchester steuern, ob sie es schaffen Spannung zu erzeugen, ob ihr Umgang mit dem Dirigentenstab dem Werk angemessen ist und ob der Kandidat den Musikerinnen und Musikern Raum zum Musizieren lässt.
 

Anspruchsvolle Ausscheidung

Für den 9. Schweizerischen Dirigentenwettbewerb hatten sich ursprünglich 23 Kandidatinnen und Kandidaten angemeldet und in insgesamt vier Runden ein anspruchsvolles Programm zu bewältigen. Die zwölf von der Musikkommission zum Schweizerischen Dirigentenwettbewerb zugelassenen Personen hatten seit Mitte Woche in der Vorrunde während einer halben Stunde mit dem Blasorchester Baden Wettingen ein dem Orchester unbekanntes Werk einstudieren. Im Halbfinal am Freitag erhielten die Kandidaten fünf Minuten Zeit, um eine der Brass Band Emmental bereits bekannte Komposition zu proben resp. strategische Stellen anzuspielen. Anschliessend wurde das Werk aufgeführt. Im Final schliesslich studierten die drei Finalisten während je 45 Minuten eine dem Sinfonischen Blasorchester Bern (Sibo) bekannte Komposition mit höchsten Anforderungen ein, die schliesslich am Galakonzert aufgeführt wurde.

Der Wettbewerb ist auch für die Orchester eine Herausforderung, weil die Kandidaten die einzelnen Stellen unterschiedlich interpretieren. Es gibt verschiedene Strategien, ein Werk zu erarbeiten. Für die Dirigentinnen und Dirigenten stellt sich – nebst den hohen fachlichen Herausforderungen – die Frage, wie sie die Aufmerksamkeit des Orchesters erringen. Ein kurzes Nicken für einen Einsatz, ein Lächeln nach einem gelungenen Solo oder ein Witzchen vor dem Start zeigen, ob eine Kandidatin oder ein Kandidat über der Sache steht.

Die neunte Austragung des Dirigentenwettbewerbs war ein voller Erfolg. Erstmals waren (mit Ausnahme der Kandidatenselektion) alle Wettbewerbsrunden öffentlich. Alles klappte reibungslos, wie Jury, Zuschauer und Kandidaten einhellig bestätigten. So bleibt zu hoffen, dass es die finanzielle Lage des Vereins Schweizerischer Dirigentenwettbewerb zulässt, in drei Jahren wieder eine solche Plattform für junge Dirigentinnen und Dirigenten zu organisieren.

 

Rangliste

1. Preis: Théo Schmitt, Palézieux (VD)
2. Preis: Raphael Honegger, Birr (AG)
3. Preis: Laurent Zufferey, Sion (VS).

Den Halbfinal bestritten diese drei Kandidaten sowie Gaudens Bieri (Trimmis, GR), Emilie Chabrol (Basel, BS) sowie Mathieu Charrière (Saint Gervais, F).
 

Théo Schmitt

Théo Schmitt ist 28 Jahre alt und kommt aus Palézieux. Er hat am Konservatorium sowie der Musikhochschule Lausanne Orchesterleitung studiert. Seit 2018 leitet er das Orchestre Quipasseparlà. Er hat die Orchester L’Harmonie d’Oron, die Junge Garde der Landwehr de Fribourg und L’Avenir d’Aclens dirigiert und hat bei zahlreichen Festivals vor allem für junge Musizierende mitgewirkt. Er möchte als Dirigent die Musikerinnen und Musiker des Orchesters mit seiner Leidenschaft mitreissen und gibt ihnen dafür in den Momenten des gemeinsamen Musizierens alles, was er hat. Théo Schmitt komponiert zudem seit 2012 in verschiedenen Stilrichtungen. In der kommenden Woche führt ihn sein musikalischer Weg daher aus der Schweiz hinaus. Er wird in Los Angeles Filmmusikkomposition studieren. Schmitt dirigierte im Final des Dirigentenwettbewerbs Praise Jerusalem von Alfred Reed.

www.theoschmitt.com
 

Kühne löst in Luzern Nestle als Hauptsponsor ab

Die Kühne-Stiftung wird ab 2020 als Hauptsponsor bei Lucerne Festival amten. Im Zentrum steht dabei in erster Linie eine Partnerschaft mit dem Lucerne Festival Orchestra. Damit kompensiert der Luzerner Klassikevent eine Reduktion des Engagements von Nestlé.

Chefdirigent Riccardo Chailly, Kühne und Häfliger an der Medienorientierung im KKL (Bild: zvg)

Der Vertrag zwischen Lucerne Festival und Kühne-Stiftung läuft vorerst von 2020 bis 2022. An einer Medienorientierung im Luzerner KKL betonte der Stiftungspräsident Klaus-Mchael Kühne, dass die Stiftung kein Interesse habe, die Marke Kühne über das Sponsoring aktiv zu vermarkten. Das Engagement scheint demnach mehr den Charakter eines Mäzenatentums zu haben. Konkrete Details zum finanziellen Umfang der Vereinbarung wollte Lucerne-Festival-Intendant Michael Häfliger an der Orientierung nicht preisgeben.

Die gemeinnützige Kühne-Stiftung mit Sitz in Schindellegi wurde 1976 von der Familie Kühne gegründet. Sie fördert Aus- und Weiterbildung sowie Forschung und Wissenschaft in Verkehrswirtschaft und Logistik. In der Hochgebirgsklinik Davos engagiert sie sich in der Forschung zur Allergologie. Die Kühne-Stiftung betreibt überdies die Klinik, deren Schwerpunkt die Therapie und Rehabilitation von Allergien und Herzerkrankungen ist. Im kulturellen Bereich unterstützt sie Festspiele, Opern- und Konzerthäuser in verschiedenen europäischen Ländern. Sie spielt dabei auch am Salzburg Festival eine bedeutende Rolle.

Ping, Pong und der Gitarrentiger

Die neue Gitarrenschule aus dem Verlag Heinrichshofen & Noetzel legt einen Schwerpunkt auf das Notenlesen; diejenige von Doblinger auf das Singen.

Ausschnitt aus dem Titelblatt der «Ping-Pong-Gitarrenschule»

Das auffälligste Merkmal der neuen Ping-Pong-Gitarrenschule von Andreas Knoblich und Philippe Loli sind die vielen Noten, in deren Köpfe in unregelmässiger Verteilung die Notennamen eingezeichnet sind. Bei der Erarbeitung eines Stücks soll die Lehrerin nur die normalen, unpräparierten Noten spielen, der Schüler nur die beschrifteten und umgekehrt – wie im Pingpong (mit zwei Figürchen dieses Namens ist die Schule auch illustriert). So kann sich der Schüler zum einen die Notennamen rasch und sicher merken, zum andern wird er durch die permanent erzwungene Aufmerksamkeit – wann kommen meine Töne dran? – in kurzer Zeit auch rhythmisch sattelfest.

In Anlehnung an die Akkordbezeichnungen, bei denen es durchaus üblich ist, dass das deutsche H durch das englische B ersetzt wird, wird hier auch der Einzelton h immer als b bezeichnet, allerdings anders als im englischsprachigen Raum in Kleinbuchstaben – ausser bei den Notenköpfen, die ihrerseits mit Grossbuchstaben versehen sind. Etliche editorische Unsorgfältigkeiten trüben das an sich interessante didaktische Konzept. So sind die ersten 22 Tracks auf der Mitspiel-Audio-App zu tief eingespielt. Vorbereitende Erklärungen und Patterns für die rechte Hand erscheinen erst im Anschluss an die entsprechenden Stücke, und die letzten fünf etwas längeren Nummern sind konsequent so angeordnet, dass mittendrin geblättert werden muss.

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Einen anderen Weg verfolgt Robert Morandell mit seinem spiralgebundenen Lehrgang Gitarrentiger. Hier wird von Anfang an zur Gitarre gesungen. Die Notenschrift kommt nicht gleich in der ersten Stunde, sondern nach und nach ins Spiel; für Rhythmusmuster und Fingerübungen der linken Hand – «Challenges» genannt – werden Tabulaturen verwendet. In Solostücken wechseln abgekürzt notierte Akkordzerlegungen mit ausgeschriebenen Melodietakten ab. Die Figur des Tigers, der zwischenzeitlich zwar nicht zu Kuh oder Bär, aber immerhin zu «Mu(h)tiger», «Bärtiger» und Schmusetiger mutiert, führt durch die Lieder.

In manchen Details zeigt sich die Erfahrung des Autors in der Herausgabe pädagogischer Gitarrenliteratur: Wechselschlag tirando oder apoyando? Den Ton d‘ mit dem 3. oder 4. Finger greifen? Solche Entscheide überlässt Morandell stillschweigend, aber wohl bewusst dem Lehrer. Einziger Wermutstropfen: Das Tempo der Übungsstücke auf der mitgelieferten CD ist für die meisten Kinder zu schnell.

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Andreas Knoblich und Philippe Loli: Die Ping-Pong-Gitarrenschule. Die neue Gitarrenmethode für alle Altersgruppen, Band 1, N 2770, mit Übungs-App, € 19.90, Heinrichshofen & Noetzel, Wilhelmshaven

Robert Morandell: Gitarrentiger. Die tierisch gute Gitarrenschule für Kinder ab 6 Jahren, Band 1, D. 35 963, mit CD, € 29.90, Doblinger, Wien

Skandale oder Skandälchen?

In «Pop und Populismus» analysiert Jens Balzer Songtexte, die, wie er findet, parallel zur Politik provokanter und aggressiver werden. Der Rezensent stimmt dieser Analyse nur bedingt zu.

Foto: Holger Link / Unsplash

Interessant sind die Fragen schon: Wie viel Verantwortung hat ein Rockmusiker? Wann erreicht er oder sie die Grenze, wo Provokation übergeht in Tabuzonen, in so genannte «No-Gos»? Seit jeher tummeln sich Rock- und Popmusiker in prekären Gefilden – seien es offen zur Schau gestellte Sexfantasien (Rammstein beredt: Bück Dich) oder düstere Gewaltszenerien mit Bezügen zum Dritten Reich (Slayer: Angel of Death). Nur sind nicht alle Textzeilen für bare Münze zu nehmen. Manches ist – siehe Rammstein – ironisch gebrochen, manch anderem ist – siehe Slayer – jener Skandal bewusst eingeschrieben und nicht unbedingt politisch motiviert, sondern bloss verkaufsfördernd. Ein grosser Aufschrei ist Werbung. Er weckt Interesse.

Auf einen Nenner bringen lassen sich die vielen Pop- und Rock-Erscheinungen kaum. Insofern tut der Autor und Pop-Kritiker Jens Balzer gut daran, von einigen ausgewählten Beispielen auszugehen. Da wären zum Beispiel jene Rapper, die Spätpubertierende im Blick haben. «Jung, brutal, gutaussehend xxx» schrieben sich die Rapper Kollegah und Farid Bang auf die Fahnen. Ihre Texte strotzen von Sex, von Gewalt, auch von Antisemitismus, was zum Echo-Skandal führte. «Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen», heisst es im Song 0815. Andernorts rappen sie: «Mache wieder mal ’nen Holocaust, komm‘ an mit dem Molotow.»

Ob so etwas mit dem Begriff künstlerischer Freiheit gerechtfertigt wird, bleibt zweifelhaft. Für Balzer jedenfalls sind solche Verfehlungen ein Indiz für die Verrohung der Sitten. Er sieht klare Parallelen von Musik und heutiger Politik, wo Syrer, Moslems oder Juden ins verbale Fadenkreuz kommen. Verantwortung des Pop hiesse für Balzer: eine bewusste Gegenreaktion auf die neue Rechte im Sinne intelligenter Texte ohne Phrasen, ohne Schlagwörter à la Kollegah. Und durchaus auch eine politisch korrekte Sprache, wie er sie im Fall des englischen Performance-Künstlers Planningtorock beschreibt, die sich dem Andersartigen, dem Fremden öffnet im Sinne differenzierter Transgender-Betrachtungen. «Es geht», so Balzer resümierend, «um die durch nichts zu ersetzende Hoffnung, dass der Pop uns Orte und Räume, Momente und Möglichkeiten zu schenken vermag, in denen Menschen, die vielleicht ganz anders sind als wir selber, uns nicht als Konkurrenten und Gegner begegnen, sondern als Freundinnen und Freunde.»

Das rund 200-seitige Buch Pop und Populismus regt schon zum Denken an. Es ist jedoch fraglich, ob der Mantel des Schweigens nicht die bessere Alternative wäre als eine Kritik, die im Fall wenig intellektueller Rapper leichtfällt, aber letztlich ins Leere zielt. Pop als Massenphänomen ist per se meist oberflächlich bis hochnotpeinlich. Ähnliches gilt in der Tat für rechte Politik. Dortige Texte sind auch «gefühlig» – aber weitaus gefährlicher als Musik für Teenies, die einfach nur stark sein wollen.

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Jens Balzer: Pop und Populismus. Über Verantwortung in der Musik, 206 S., € 17.00, Edition Körber, Hamburg 2019, ISBN 978-3-89684-272-5

Lange vernachlässigte Originalfassung

Das einzige Klavierkonzert von Antonín Dvořák wurde lange in einer bearbeiteten Version aufgeführt oder fiel ganz aus dem Repertoire. Zu Unrecht!

Antonín Dvořák 1868. Foto: Anonyme Aufnahme aus dem Dvořák-Museum in Prag / wikimedia commons

Denkt man an Dvořáks Solokonzerte, dann sicher in erster Linie an sein geniales
Cellokonzert op. 104, «das perfekte Konzert überhaupt», so der Pianist (!) Rudolf Buchbinder. In zweiter Linie dann wohl an das Violinkonzert op. 53. Seinem einzigen Klavierkonzert in g-Moll op. 33 begegnet man in unseren Konzertsälen eher selten. Was sind die Gründe dafür?

Dvořák besass zu jener Zeit als Komponist bereits einige Erfahrung auf dem Gebiet der Kammermusik und der Sinfonie. Seine ganz eigene Klangsprache offenbart sich in den drei Sätzen des Werkes aber erst zum Teil. Noch sind Anleihen von Meistern wie Beethoven, Chopin, Wagner und Brahms unüberhörbar. Dies vor allem im Kopfsatz, während der langsame zweite Satz schon sehr persönliche Züge verrät. Was aber viele Pianisten immer wieder davon abgehalten hat, dieses Konzert ins Repertoire aufzunehmen, ist wohl der sperrige, unbequeme Klaviersatz, der zwar stellenweise bezaubernd klingt, aber kein virtuoses Auftrumpfen zulässt.

Aus diesem Grund sah sich vor etwa 100 Jahren der tschechische Klavierpädagoge Vilém Kurz veranlasst, den Solopart gründlich zu überarbeiten. Jahrzehntelang scheint nur noch seine Fassung gespielt worden zu sein. Einer der ersten Pianisten, die sich für die Originalversion stark machten, war kein geringerer als Swjatoslaw Richter. Er spielte das Konzert recht häufig und nahm es 1976 mit dem Bayerischen Staatsorchester (unter Carlos Kleiber!) sogar auf.

Kürzlich hat Robbert van Steijn diese Originalfassung im Bärenreiter-Verlag neu herausgegeben, sowohl den Klavierauszug wie auch die Partitur. Im Vorwort erfährt man allerhand Erhellendes über die komplizierte Rezeptionsgeschichte, und Ivo Kahánek steuert noch einige sehr brauchbare Tipps zu Interpretation und Fingersatz bei.

Das steigende Interesse an Dvořáks Klavierkonzert gerade in letzter Zeit ist nicht zu übersehen. Die neue Bärenreiter-Ausgabe wird diesen Trend vermutlich noch verstärken. András Schiff hat wohl nicht unrecht, wenn er meint: «Zahlreiche Klavierkonzerte des 19. Jahrhunderts, welche zum Repertoire vieler Pianisten gehören – und viel zu häufig erklingen –, sind pianistisch nicht weniger kompliziert, ohne dass sie Dvořáks Werk im musikalischen Ausdruck und kompositorischen Können erreichen würden.»

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Antonín Dvořák: Konzert g-Moll op. 33 für Klavier und Orchester, Urtext hg. von Robbert van Steijn; Partitur, BA 10420, € 59.00; Klavierauszug, BA 10420-90, € 32.50; Bärenreiter, Prag

Der Meister will mitspielen

Für einen Chemiestudenten, dessen Violinlehrer und sich selbst schuf Antonín Dvořák das «Terzetto» C-Dur op. 74 für 2 Violinen und Viola.

Rekonstruktion von Dvořák Pult in der Bohemian National Hall, New York. Foto (Ausschnitt): Steven Bornholtz / wikimedia commons

Dies ist die für den praktischen Gebrauch geeignetste Ausgabe des Terzetts von Antonín Dvořák! Die Seiten sind vom Herausgeber so eingerichtet, dass man bis zum Ende des zweiten Satzes nicht umblättern muss, das Papier ist von stabiler Qualität und die Taktzahlen sind am Anfang jeder Linie gesetzt und zählen den Auftakt nicht mit. Keine der mir bekannten gedruckten Stimmen erfüllte in den vergangenen fünf Jahrzehnten alle diese Kriterien gleichzeitig. Der knappe Kritische Bericht zu dieser Urtext-Ausgabe zeugt von grosser Sorgfalt. Auf Unterschiede zwischen der autografen Partitur und dem Erstdruck von Stimmen und Partitur wird in den Bemerkungen hingewiesen. Die Herausgeberin Annette Oppermann gibt der jeweils plausibelsten Lösung den Vorrang. Die Stimmen enthalten keine bogentechnische Einrichtung, nur originale Fingersätze, welche sich auf gelegentliche Flageolette und leere Saiten beschränken. Auch das ist eine Wohltat für die Ausführenden!

Amüsant ist die Entstehungsgeschichte dieses Kleinods der Kammermusik: In Dvořáks Haus lebte 1887 ein Chemiestudent und Amateurmusiker, der in seinem Zimmer Violinunterricht erhielt. Dvořák hörte während seiner Arbeit an sinfonischen Kompositionsaufträgen die beiden Geiger und bekam Lust, mit seiner Bratsche in deren Bund der Dritte zu sein. Mangels Literatur für diese Besetzung komponierte er innert einer Woche das Tercet op. 74 (so lautet der originale tschechische Name) und lieferte kurz darauf die Drobnosti (Kleinigkeiten) nach. Letztere wurden in der Bearbeitung des Komponisten für Violine und Klavier als Romantische Stücke op. 75 allerdings populärer.

Den italianisierenden Namen Terzetto erhielt das Opus 74 in C-Dur von Dvořáks Verleger Fritz Simrock, welcher dem Wunsch des Komponisten nach einem tschechischen Titel angesichts des deutschen Musikalienmarktes nicht entsprechen wollte. Der deutsche Name «Terzett» wiederum hätte Dvořáks böhmische Heimatgefühle verletzt.

Meisterhaft, welche Klänge Antonín Dvořák mit dieser kleinen Besetzung hervorzaubert! Und dabei bleiben die instrumentaltechnischen Ansprüche dem Niveau fortgeschrittener Schüler und erfahrener Amateure angemessen. Diese Ausgabe erleichtert jetzt auch die Probenarbeit und bannt alle Sorgen beim Umblättern.

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Antonín Dvořák: Terzetto C-Dur op. 74, für zwei Violinen und Viola, hg. von Annette Oppermann; Stimmen, HN 1235, € 12.00; Studienpartitur, HN 7235, € 8.00; G. Henle, München

Alban, Helene und die Erinnerung

Wie hat die Komponistenwitwe Helene Berg auf die Erinnerung an Alban Berg eingewirkt? Eine Sammelband sucht Antworten.

Helene Berg, geb. Nahowski, 1927. Foto: Georg Fayer, Österreichische Nationalbibliothek / Wikimedia commons

Seit Constantin Floros die kryptischen Hinweise in der Lyrischen Suite von Alban Berg entschlüsselt hat, welche dessen Liebes-Beziehung zu Franz Werfels Schwester Hanna Fuchs-Robettin dokumentieren, fehlt es nicht an Aufmerksamkeit gegenüber seiner Witwe Helene Berg. Sie hat ihn ja 41 Jahre überlebt, hat sich selbst laut Eintrag im «Meldezettel für Haupt-(Jahres- und Monats-)wohnparteien» unter der Rubrik «Beruf» als «Komponistenwitwe» bezeichnet und sich verpflichtet gefühlt, nicht nur den kompositorischen Nachlass zu betreuen, sondern auch etwas von Albans Lebensgestaltung festzuhalten: «Sie müssen doch sehen, wie Alban lebt …» Dies ist auch die Überschrift über dem grossen Beitrag von Daniel Ender im Kapitel «Erinnerungsräume». Da der ersten Briefausgabe letzten Endes viel Misstrauen entgegengebracht worden war, konzentrierte sich ihre Arbeit begreiflicherweise auf die «Image»-Bildung.

Ihre Bemühungen um die Schaffung einer aktiven Stiftung waren erfolgreich und werden auch gewürdigt. Ihre Art und Weise hingegen, den «auto/biografischen» Anteil möglichst gering erscheinen zu lassen, hat erneut zu kritischen Anmerkungen geführt, dabei aber auch nach Helene Bergs Tod im Jahre 1976 unterschiedliche Beurteilungen zu Tage befördert. Die Konfrontation von wissenschaftlicher Archivarbeit mit den aus dem 19. Jahrhundert übernommenen «geschlechtsattributiven Aufgaben» der Witwen als «Erzieherinnen der Seelen» wird in verschiedenen Beiträgen thematisiert. Der Ruf nach einer Neubeurteilung von Helene Bergs Verhalten wird nicht nur von Anna Ricke erhoben, sondern lässt sich auch aus dem oben erwähnten Beitrag von Daniel Ender mit dem Untertitel «Bergs Wohnräume und die Inszenierung des Authentischen» ableiten. Auch Martin Eybl hat in seinem Aufsatz zur Alban-Berg-Gesamtausgabe die Frage gestellt, warum Helene Berg eine solche trotz dem «breiten Spektrum ihrer Aktivitäten» nicht einmal in Erwägung gezogen hat.

Die Fülle von interessanten Illustrationen und schriftlichen Dokumenten darf nicht unerwähnt bleiben.

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Erinnerung stiften – Helene Berg und das Erbe Alban Bergs, hg. von Daniel Ender, Martin Eybl und Melanie Unseld, 210 S., € 29.95, Universal Edition und Alban-Berg-Stiftung, Wien 2018, ISBN 978-3-7024-7574-1

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