Chancen der freien Musikszene

In einem neuen Online-Fokus Freie Ensembles zeigt das Deutsche Musikinformationszentrum (MIZ), eine Einrichtung des Deutschen Musikrats, die Chancen und Herausforderungen der freien Musikszene auf.

Foto: Romain Hus / Unsplash (s.unten)

Rund 400 Spezialensembles verzeichnet das MIZ allein in der Alten und der zeitgenössischen Musik, wobei die Übergänge von zeitgenössischer Musik zu Jazz und elektronischer Musik oftmals fliessend sind. Hinzu kommt eine Vielzahl von Ensembles mit einem klassisch-romantischen Schwerpunkt. Als Zusammenschlüsse von Freiberuflern verfügen viele Ensembles allerdings über kein regelmässiges gesichertes Einkommen, sondern finanzieren sich aus Honoraren, Projektfördermitteln und Spenden.

Der MIZ-Online-Fokus gibt einen Überblick über die freie Musikszene und zeigt ihre künstlerischen Schwerpunkte und spezifischen Problematiken auf. Ergänzt wird er durch Strukturdaten, die das MIZ zu den professionellen Ensembles für Alte und zeitgenössische Musik in Deutschland erhebt. Die Spezialensembles werden mit ihrem jeweiligen Repertoireschwerpunkt, ihrer Mitgliederzahl sowie mit Angaben zu ihrer Besetzung dargestellt. Außerdem sind dem Fokus Literaturhinweise, Statistiken und Dokumente zum Thema beigefügt.

Zu erreichen ist der neue Online-Fokus über https://themen.miz.org/fokus-freie-ensembles.

Ammann-Uraufführung bei den BBC Proms

Dieter Ammann bei den Proms des BBC in London: Sein Klavierkonzert für den Pianisten Andreas Haefliger wird am 19. August 2019 im illustren Rahmen der Royal Albert Hall uraufgeführt.

Dieter Ammann 2018. Foto: René Mosel/Bärenreiter-Verlag

Das BBC Symphony Orchestra unter Leitung von Sakari Oramo spielt das Werk laut dem Bärenreiter Verlag zusammen mit Beethovens 9. Symphonie. Es wird anschliessend in Taipeh, Boston, München, Luzern und Wien zu erleben sein.

Im weiten Spannungsfeld zwischen Individuum und Kollektiv, das traditionell die Gattung bestimmt, gehe es dem Komponisten um vielfältige Spielformen, schreibt der Verlag weiter. Das Konzert wird von der BBC live übertragen.

Wachablösung beim Ensemble Proton

Matthias Kuhn, der bisherige Dirigent des Berner Ensemble Proton gibt sein Amt per Ende 2019 ab. Künstlerische und strategische Entscheidungen werden künftig im Kollektiv getroffen.

Ensemble Proton (Bild: Oliver Oettli)

Neben Matthias Kuhn werden drei Gastdirigenten die Konzerte der Jubiläumssaison 2020 leiten, Gespräche hierzu seien im Gang, schreibt das Ensemble. Das Ensemble schreibt ab sofort die Stelle der Geshäftsführung aus. Gesucht ist eine Person mit Kenntnis der nationalen und internationalen Szene der zeitgenössischen Musik und der Stiftungslandschaft sowie Erfahrungen in der Kulturpolitik.

Das 2010 gegründete Ensemble Proton ist Ensemble in residence der Berner Dampfzentrale. Es realisiert viermal im Jahr die Konzertreihe Proton am Montag. Im März 2018 gastierte es an der Stanford University und der UC Berkeley. Im Rahmen von weiteren Konzerten in San Francisco und Seattle realisierte es die Uraufführung des Werks «INFR-A-KTION» von Dominique Schafer.

Von Pro Helvetia unterstützte Alben

Pro Helvetia vergibt jährlich Beiträge an die Produktion von Tonträgern, bei denen sie internationales Potential vermutet. Auf einer Webseite präsentiert sie nun eine Auswahl der Geförderten.

(Bild: Webseite Pro Helvetia)

Die Kreation von neuen Repertoires sei für die Entwicklung und den Fortbestand eines musikalischen Projektes oder einer Band von grosser Bedeutung, schreibt Pro Helvetia. Entsprechend unterstütze sie die Produktion von neuen Werken mit Beiträgen.

Jährlich werden gegen zwei Dutzend Gesuche von Schweizer Formationen und Labels berücksichtigt, die sich in der Jazz- oder Pop-Hemisphäre verorten. Pro Helvetia setzt sich auch für die internationale Verbreitung und Live-Präsentation dieser Werke ein.

Eine Auswahl findet sich hier:
https://prohelvetia.ch/de/2019/07/klanglandschaften-entdecken/

Heinz Holliger

Am 21. Mai 2019 feierte Heinz Holliger seinen 80. Geburtstag.

Heinz Holliger. Foto: Julien Gremaud / Bundesamt für Kultur BAK

Zum achtzigsten Geburtstag von Heinz Holliger am 21. Mai 2019 hat SRF 2 Kultur einen Schwerpunkt gestaltet.

Link zum Schwerpunkt auf der Website von SRF

 

In der Schweizer Musikzeitung wurde Heinz Holligers runder Geburtstag zusammen mit denjenigen von Hans Eugen Frischknecht, Heinz Marti und Urs Peter Schneider gewürdigt.
Link zum Download des Artikels «Musik aus dem Bernbiet» von Thomas Meyer (PDF)

https://neo.mx3.ch/heinzholliger

Krebskranken nützt Musiktherapie

Das deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bestätigt, dass die gesundheitsbezogene Lebensqualität und das subjektive Wohlempfinden Krebskranker durch Musiktherapie verbessert werden.

Foto-Quelle: IQWIG

Das IQWiG stellt fest, dass vor allem psychische Begleitsymptome wie zum Beispiel Abgeschlagenheit, Angst, Stress, Anspannung, Stimmungsschwankungen durch musiktherapeutische Interventionen kurzfristig günstig beeinflusst werden. Es empfiehlt, Musiktherapie im Sinne eines künftigen einheitlichen Berufs- und Ausbildungsrechts in Deutschland gesetzlich zu regeln.

Laut Lutz Neugebauer, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft (DMtG), wird Musik- und Tanztherapie im Anhang der deutschen Heilmittelrichtlinie aus dem Jahr 1992 als Ausschluss aufgeführt. Die Gründe dafür seien heute weder auffindbar noch nachprüfbar. Deshalb brauche es eine neue Bewertung. Die Deutsche Musiktherapeutische Gesellschaft fordert seit langem eine Rücknahme des Ausschlusses, damit deutsche Krankenkassen ihren Versicherten diese Therapieformen anbieten können.

Who’s Who der Gelehrten des Spätmittelalters

Die spätmittelalterlichen Ursprünge der heutigen Wissensgemeinschaft zeigt die öffentlich zugängliche Datenbank «Repertorium Academicum Germanicum» (RAG). Sie ist unter Berner Federführung entstanden und umfasst die Lebensläufe von mehr als 60’000 mittelalterlichen Gelehrten.

Gründung der Universität Basel am 4. April 1460 im Münster. Bild: Universitätsbibliothek Basel AN II 3,SMPV

Seit über zehn Jahren geht das internationale Forschungs- und Digitalisierungsprojekt RAG der Universität Bern und der Justus-Liebig-Universität Giessen den Lebenswegen dieser Gelehrten nach, ermittelt ihre Herkunft und verfolgt ihre späteren Karrieren. Aus den verschiedensten historischen Quellen wurden die Informationen gesammelt und stehen nun in einer auch für die Musikwissenschaft interessanten Online-Datenbank der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung.

Neben berühmten Persönlichkeiten wie Erasmus von Rotterdam oder Martin Luther sind in der Datenbank des RAG auch Informationen zu 60’000 weiteren Personen erfasst. Mit einfachen Suchbegriffen können all die Gelehrten des Mittelalters nach ihrem Herkunftsort, Studienfach oder den besuchten Universitäten gruppiert, ihre Reisen auf einer Karte dargestellt und ihre Beziehungen zu anderen Personen interaktiv visualisiert werden.

Info: rag-online.org

Die Heimkehr des Odysseus

Mit «Il ritorno d’Ulisse in patria» erklingt im August 2019 Monteverdis Odysseus-Oper auf Schloss Waldegg bei Solothurn. Andreas Reize dirigiert das cantus firmus consort auf historischen Instrumenten. Georg Rootering führt Regie.

«L’Orfeo» im Sommer 2017 auf Schloss Waldegg. Foto: Sabine Burger,SMPV

Nach der Reise an den Ursprung mit L’Orfeo im Sommer 2017, bringt cantus firmus 2019 ein weiteres Werk von Claudio Monteverdi auf die Bühne von Schloss Waldegg. Il ritorno d’Ulisse in patria erzählt die Heimkehr des Odysseus. Die Oper gilt als Schlüsselwerk zwischen Renaissance und Barock.

Andreas Reize leitet das cantus firmus consort und Georg Rootering zeichnet als Regisseur für die Inszenierung verantwortlich.
 

Ein junges Ensemble und barocker Originalklang

Die Rolle des Ulisse verkörpert Hans-Jörg Mammel. Mit Jan Börner als L’humana fragilità und Pisandro, Raphael Höhn als Telemaco, Andrea Brown als Fortuna und Minerva, Lisandro Abadie als Tempo, Nettuno und Antinoo, Michael Mogl als Eurimaco sowie Michael Feyfar als Giove und Eumete zählen sechs Stimmen, die bereits in früheren Produktionen mitgewirkt haben, zur Besetzung.

Geneviève Tschumi als Penelope, Dan Dunkelblum als Anfinomo, Alexandra Rawohl als Melanto, Alice Borciani als Amore und Giunone, Eelke van Koot als Iro sowie Miriam Callegaro als Ericlea stehen zum ersten Mal auf der Bühne von Schloss Waldegg.

Das cantus firmus consort spielt auf historischen Instrumenten. Das von Andreas Reize im Jahr 2001 gegründete cantus firmus consort präsentiert sich heute als eingespielter Klangkörper auf hohem Niveau. Alle Musikerinnen und Musiker sind Spezialisten, die sich schon lange mit Fragen der historischen Aufführungspraxis auseinandersetzen.

Zwischen dem 8. und 17. August 2019 werden auf Schoss Wadegg sieben Aufführungen unter freiem Himmel gespielt. Bei schlechter Witterung finden die Vorstellungen Stadttheater Solothurn statt.
 

Claudio Monteverdi «Il ritorno d’Ulisse in patria»
Oper Schloss Waldegg

 

Donnerstag, 8. August 2019
Freitag, 9. August 2019
Samstag, 10. August 2019
Sonntag, 11. August 2019
Donnerstag, 15. August 2019
Freitag, 16. August 2019
Samstag, 17. August 2019

Vorverkauf

auf www.operwaldegg.ch, unter Tel 0900 441 441 (CHF 1/Min, Festnetztarif) und in der Filiale der Raiffeisenbank Weissenstein, an der Hauptgasse 67 in 4501 Solothurn

Schlechtwetterauskunft am Spieltag ab 16 Uhr per Tel. 1600 oder SMS ULISSE an 1600 und auf www.operwaldegg.ch
 

Videotrailer «Monteverdis Orfeo im Sommer 2017»:
http://www.operwaldegg.ch/trailer/
 

SME zahlt zinsloses Darlehen zurück

2016 hat die Schweizerische Gesellschaft für Neue Musik (SGNM) der Schweizer Musikedition mit einem zinslosen Darlehen die laufenden Arbeiten zwischenzeitlich finanziert und so die Liquidität des Vereins gesichert. Dieses zinslose Darlehen ist von der SME nun vollumfänglich zurückgezahlt worden.

Screenshot der Homeseite von musinfo.ch

Dank des zinslosen Darlehens sei zudem der Fortbestand der Datenbank zur Schweizer Musik musinfo.ch gewährleistet, schreibt SME-musinfo. Die Bemühungen, die Plattform zu vergrössern und deren Relevanz zu steigern, hätten im Rahmen einer Zusammenarbeit der SME mit der Hochschule Luzern – Musik vertieft werden können.

Die Hochschule hat zu Beginn des Jahres die Datenbank musinfo.ch übernommen und bewirtschaftet diese nun in Kooperation mit der SME. Die Datenbank musinfo.ch wurde 2004 im Internet veröffentlicht und enthält seither Informationen zur Schweizerischen Musikszene. Anfänglich konzentrierte man sich vor allem auf die zeitgenössische E-Musik, mittlerweile hat die Plattform den Anspruch, die hiesige Musiklandschaft umfassender abzubilden.
 

Gregorianik in Wissenschaft und Praxis

Anlass für das Symposium ist die jahrzehntelange wissenschaftliche und praxisbezogene Arbeit des Musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Zürich zur Erforschung und Erhaltung des gregorianischen Chorals.

Ausschnitt aus dem Symposiums-Flyer (p. 535 aus dem Codex 121 der Stiftsbibliothek Einsiedeln),SMPV

Das Musikwissenschaftliche Institut der Universität Zürich hat seit mehr als 50 Jahren in Wissenschaft und Praxis beachtliche Beiträge zur Erforschung und zur Erhaltung des Gregorianischen Chorals geleistet. Dies ist Anlass genug, ein Symposium zu veranstalten und damit zu zeigen, dass an diesem Ort nach wie vor Gregorianische Forschung betrieben und dabei auch der Praxisbezug beibehalten wird. Aus diesem Grund sind international renommierte Referentinnen und Referenten eingeladen worden, über Themen zu sprechen, die vorwiegend einen Schweizer Bezug haben und in einigen Fällen sogar mit der Region Zürich – Einsiedeln – St. Gallen in Verbindung stehen. Die Freitag-Session ist verschiedenen Teilbereichen gewidmet und widerspiegelt die Vielfalt der aktuellen Forschungsfragen. Am Samstag ist ein Block von vier Referaten angesetzt, der von Mitwirkenden des Forschungsvorhabens AMRA (Liturgische Gesänge für irische Heiligen in Europa) ausgerichtet wird.

Der Überschrift des Symposiums gemäss geht es bei der Veranstaltung nicht nur um die wissenschaftlich-theoretische Auseinandersetzung mit dem Gregorianischen Choral, sondern – der langjährigen Zürcher Tradition entsprechend – auch um die Praxis der einstimmigen Gesänge. Die praktischen Teile bilden den Rahmen zu den Referaten und sind mit diesen teilweise auch inhaltlich verknüpft. Die ausführenden Scholae sind: die Schola Gregoriana Universitatis Turicensis, die Neue Choralschola St. Gallen und die Schola Cantorum Turicensium.

 

Freitag, 20. September 2019, 12.30 Uhr, Beginn des Symposiums

Samstag, 21. September 2019, 18 Uhr Ende des Symposiums

 

Download Symposiums-Flyer

Concord übernimmt Sikorski

Der amerikanische Publisher Concord hat die Sikorski Music Publishing Group übernommen und damit die Kontrolle über die Werke russischer Tonschöpfer wie Schostakowitsch, Prokofjew, Chatschaturjan, Kabalewski oder Schnittke.

Foto: Danilo Rizzuti – stock.adobe.com

Zum erworbenen Portefeuille gehören auch die Werke von Sofia Gubaidulina, Giya Kancheli und Lera Auerbach.

Der deutsche Verlag Sikorski wird Teil der Concord Music Publishing Gruppe, zu der auch der renommierte Verlag Boosey & Hawkes gehört. Concord hofft laut der eigenen Mitteilung, damit seine Position im europäischen Markt stärken zu können.

Concord besteht aus drei Geschäftsbereichen, neben dem Verlagsgeschäft umfassen sie Plattenlabels und eine Theateragentur. Sikorski wurde 1930 von Hans Sikorski gegründet und hat einen Schwerpunkt in der russischen Musik.

Deutsche Musikindustrie wächst um 7,9 Prozent

Die deutsche Musikindustrie ist im ersten Halbjahr 2019 deutlich gewachsen: In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres nahm die Branche insgesamt 783,2 Millionen Euro durch Audio-Streams sowie durch den Verkauf von CDs, Downloads und Vinyl ein.

Foto: Archiv SMZ/lovelyday12/fotolia.de

Das sind 7,9 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum (1/2018: 725,9 Millionen Euro Umsatz nach dem Gesamtjahresabschluss 2018). Das ist die höchste Wachstumsrate seit 1993. Verantwortlich für dieses Ergebnis ist zum einen das Audio-Streaming, das um 27,7 Prozent zulegte und seine Position als umsatzstärkstes Format weiter ausbauen konnte.

Daneben hat sich die CD (-11,7 Prozent) mit einer gegenüber dem Vorjahreszeitraum halbierten Rückgangsrate leicht stabilisiert, während Vinyl nach einer kurzen Atempause wieder Zuwächse verzeichnete (7,4 Prozent). Downloads wiederum gaben zwar deutlich, jedoch ebenfalls etwas weniger nach als im ersten Halbjahr 2018 (-16,3 Prozent).

Unter dem Strich prägt laut dem Bundesverband Musikindustrie den deutschen Tonträgermarkt damit weiterhin eine grosse Formatvielfalt — auch bei der deutlich wachsenden Bedeutung des Audio-Streamings.

Luzern fördert Kreativwirtschaft

Seit 2016 fördert die Stadt Luzern unter dem Titel Kreativwirtschaft diverse Projekte und Initiativen. Der Fokus der diesjährigen Projektförderung wird auf Marktzugang, Marktentwicklung und Networking gelegt.

Foto: KC / stock.adobe.com

Im Rahmen der Umsetzung der Kultur Agenda 2020 fördert die Stadt Luzern seit 2016 unter dem Titel Kreativwirtschaft diverse Projekte und Initiativen. Profitieren in Form einer finanziellen Unterstützung sollen Personen, Institutionen oder Unternehmen, die marktorientierte Produkte und Projekte herstellen beziehungsweise realisieren, welche einen kreativ-künstlerischen Hintergrund haben oder in einem solchen Zusammenhang stehen.

Der Fokus der diesjährigen Projektförderung wird auf Marktzugang, Marktentwicklung und Networking gelegt. Die Ausschreibungsunterlagen sind auf der Webseite www.kultur.stadtluzern.ch zugänglich. Bewerbungen für einen Förderbeitrag können bis am 20. September 2019 eingereicht werden.
 

rur.

Am 26. Juni ist der Zürcher Musikjournalist und Komponist Rolf Urs Ringger im Alter von 84 Jahren gestorben.

Mounzer Awad / unsplash

In jungen Jahren habe er einen Roman mit dem Titel «Der Dandy» schreiben wollen: Die Hauptfigur nimmt ein Taxi und fährt zu Oper. Von dieser kurzen und doch ausgedehnten Fahrt sollte das Buch handeln – und dabei wohl ein wenig auch von ihm selber. Egal, ob das nun erfunden war, oder ob sich im Nachlass tatsächlich ein Romanfragment finden wird: Rolf Urs Ringger wusste natürlich, was für ein Futter er mit einer solchen Anekdote dem Journalistengegenüber gab. Schelmisch stellte er sich vor, wie das Bild des Dandys Ringger entstand, und freute sich, denn das war er ja auch: der Dandy unter den Schweizer Komponisten, unverstellt eitel, aber auch mit dieser Eitelkeit lustvoll spielend. Als Adrian Marthaler sein Orchesterwerk Breaks and Takes fürs Fernsehen visualisierte, spielte Ringger persönlich einen Delius-ähnlichen, melancholischen Komponisten an einem Swimming Pool.

«Ich liebe das Kokettieren. Das gibt ja doch auch meiner Produktion das leichte und spielerische Moment. Und es kommt ja beim Publikum auch sehr gut an. Und ich habe Freude daran.» Sagte er mal im Gespräch. «Das Moment des Narzisstischen, jetzt wertfrei verstanden, ist doch sehr stark bei mir spürbar.» Ich mochte ihn für diese Selbstironie, die bei ihm ganz natürlich war. Er brachte eine ganz eigene und auffallende Farbe in die zur Bescheidenheit neigende Zürcher Musikszene, er war mondän, vielgewandt, urban, wenn er den Sommer auch immer auf Capri verbrachte, wo einige sinnliche Klangbilder entstanden. Zu diesem Image hat der Komponist selber reichlich beigetragen.

Ringger war aber auch ein Zürcher. Hier wurde er am 6. April 1935 geboren, hier wuchs er auf, lebte und arbeitete hier, ein Wort- und Tonkünstler. In Küsnacht besuchte er das Seminar, bei Kurt von Fischer am Musikwissenschaftlichen Seminar Zürich dissertierte er über Weberns Klavierlieder. Als rur. gehörte er über Jahrzehnte zum Kritikerstab der Neuen Zürcher Zeitung, lieferte pointierte und elegante, zuweilen bewusst nachlässige Texte, porträtierte aber auch schon früh jene Komponisten, die später erst weithin Beachtung erhielten wie zum Beispiel Edgard Varèse oder Charles Ives, Erik Satie und Othmar Schoeck. Neben den grossen Figuren finden sich da die Einzelgänger, und gern hat er der Nostalgiker gedacht, zu denen er sich selber wohl auch zählte. In Publikationen wie der Aufsatzsammlung Von Debussy bis Henze hat er diese Porträts gebündelt.

Kompositionsunterricht erhielt Ringger ganz früh privat bei Hermann Haller. Bei den Darmstädter Ferienkursen 1956 studierte er bei Theodor W. Adorno und Ernst Krenek, kurz darauf noch für ein halbes Jahr bei Hans Werner Henze in Rom. Es waren ästhetische Antipoden, denn da schon hatte sich Henze aus der Avantgardeszene zurückgezogen. Obwohl Ringger später mit einem süffisant erwartungsvollen Lächeln erzählte, mit Adorno habe er sich eigentlich besser verstanden als mit Henze, folgte er doch dessen Abwendung von den streng seriellen Techniken und der Hinwendung zu einer sinnlichen Klangsprache. Das hört man schon seinen Titeln an: … vagheggi il mar e l’arenoso lido … für Orchester (1978), Souvenirs de Capri für Sopran, Horn und Streichsextett (1976–77), Ode ans Südlicht für Chor und Orchester (1981) oder Addio! für Streicher und Röhrenglocken. Mit Der Narziss (1980), Ikarus (1991), und Ippòlito (1995) schuf er drei Ballettmusiken. Den grossen musikdramatischen Formen freilich hat er sich offenbar nie zu nähern versucht.

Ringger war einer der ersten, der sich in den 70er-Jahren, in Henzes Gefolge, aber durchaus frühzeitig im Trend, wieder neotonaler Elemente bediente. Derlei vermerkte ich damals in einer Kritik entsprechend bissig. Natürlich reagierte er bei aller Selbstironie entsprechend beleidigt. Und doch kam er ein paar Jahre später genussvoll darauf zurück und verkündete stolz, ich habe ihn damals als den ersten Neotonalen hierzulande bezeichnet. Die postmoderne Wende hatte ihm recht gegeben.

So spielte seine Musik gern mit Zitaten (von Debussy etwa) schwelgte in impressionistischen Farben oder in hochromantischen Gesten, blieb aber dabei durchsichtig und leicht. Am höchsten freilich schätze ich ihn als urbanen Flaneur. Nicht dort, wo er Zeitungsausschnitte auf etwas kindische Weise zu einer Collage (Chari-Vari-Etudes, Vermischtes) für Kammersprechchor montierte, sondern in seinen musikalischen Promenaden. Im Manhattan Song Book (2002) für Sopran, drei Sprechstimmen und fünf Instrumente ist er in New York unterwegs, beobachtet, notiert, kommentiert in elf Songs, frech, unbeschwert, auch da in koketter Selbstbespiegelung. Als ihn eine nicht sehr freundlich als «crazy witch» bezeichnete Dame fragt, ob er der «famous composer» sei, antwortet er kurz: «No, it’s my cousin.»

Nun ist er gestorben. «Licht!» steht zuoberst in der Todesanzeige, darunter die Sätze: «Er liebte die Sonne des Mittelmeers, die Musik und die Jugend. Er dankt allen, die ihm im Leben Gutes erwiesen und seine Musik gefördert haben.» Capri wird ihn vermissen. Sein Notizario caprese (2004) endet mit den Worten «(sehr ruhig, fast ohne Pathos) Se non c’è Amore, tutto è sprecato. (sehr nüchtern) Wo keine Liebe ist, ist alles vergeblich. Ein Grabspruch in Capri; ungefähr 2020.»
 

Wieviel Stress verträgt ein Musikstudium?

Australische und amerikanische Forscher haben untersucht, wie Musikstudienanfänger mit den neuen Anforderungen an Professionalität und Selbstorganisation umgehen.

Foto: tadicc1989 / stock.adobe.com

Für viele Musikstudenten kann der Übergang zum Studium auf Hochschulniveau erheblichen Stress bedeuten, da sie sich an den akademischen Standard und die Herausforderungen anspruchsvoller Leistungsbeurteilungen anpassen müssen. Vor diesem Hintergrund hat das Team die Auswirkungen von Stress auf das Wohlbefinden der Schüler, insbesondere ihr Gefühl von Energie und Lebendigkeit, unter die Lupe genommen.

Die Ergebnisse zeigten, dass Stress die Vitalität der Studienbeginner beeinträchtigt, nicht aber der selbstorientierte Wille zum Perfektionismus. Darüber hinaus beeinflussen sowohl die Anpassungsfähigkeit als auch die Qualität der Beziehungen zu den Mitstudierenden die Vitalität positiv. Diese positiven Asepkte reduzieren allerdings die negativen Auswirkungen von Stress nicht.

Originalartikel:
https://journals.sagepub.com/doi/abs/10.1177/1029864919860554

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